Angst gehört zum
Menschen, sie ist immer mit
körperlichen Begleiterscheinungen verbunden: Herzklopfen, Schweißausbrüche, Zittern, Beklemmung in der Brust, Schwindel. Diese Symptome bedürfen
mitunter der körperlichen Diagnostik (eher einmal als zehnmal!), sollten aber nicht zu
Fehldiagnosen führen, etwa "Funktionsstörung der
Schilddrüse", "Herzrhythmusstörung" oder "Wirbelsäulensyndrom". Solche Erkrankungen gibt es natürlich, sie werden bei Angsterkrankungen jedoch häufig benutzt, um Patienten die "psychische Ecke"
zu ersparen. Betroffene sollten sich mit "körperbezogenen Ersatzdiagnosen" nicht selbst betrügen, dies ist nicht so einfach! Eine
krankhafte
Angst ist gekennzeichnet durch eine heftige Angstreaktion bei Fehlen einer akuten Bedrohung, die Abgrenzung von "normaler Angst" ergibt sich aus den Umständen (z.B. unangemessen
heftige Angstreaktion bei belanglosem Auslöser), nicht aus der Art der Angst, diese ist wie beim Gesunden in einer gefährlichen Situation. Eine
Depression mit begleitenden Ängsten darf vom Arzt keinesfalls übersehen werden.
Angststörungen treten bei ca. 15% aller Menschen irgendwann einmal im Leben auf, sind also sehr häufig. Leider vergehen bis zur Diagnose in
der Regel 5 bis 15 Jahre! Dies hat auch mit der Vielfalt der körperlichen Begleiterscheinungen zu tun, Betroffene können sich deswegen jahrelang in praktisch allen medizinischen Fachgebieten
untersuchen lassen! Man
unterscheidet heute mehrere Formen, denen eine so genannte
"Angst vor der Angst" und eine
Vermeidehaltung gemeinsam ist: Bei der
Agoraphobie besteht eine Furcht oder Vermeidung von Menschenmengen, öffentlichen Plätzen oder weiten Reisen, u.U. wird das Haus alleine nicht mehr
verlassen. Die
soziale Phobie führt zu einer starken Angst vor zwischenmenschlichen Situationen (weit mehr als bei einer "normalen
Schüchternheit"), man mag keine Reden halten, vermeidet gemeinschaftliches Essen, im Extremfall jede soziale Begegnung. Bei einer
spezifischen
Phobie besteht eine Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen (etwa Spinnen, große Höhe, Gewitter, medizinische Eingriffe), die sehr bekannte
Panikstörung führt zu Panikattacken, d.h. zu Episoden intensiver Angst (manchmal allerdings nur ein Unbehagen) mit abruptem Beginn und Herzklopfen,
Beklemmung, Schwindel, auch Todesangst bzw. Furcht vor einem Herzinfarkt, letzteres führt nicht selten zu Notarzteinsätzen. Dagegen bleibt die
generalisierte Angststörung ohne Angstattacken, es kommt zu einer starken und anhaltenden Angst, die Welt erscheint bedrohlich und voller Risiken, es
kommt zu einer ängstlich-sorgenvollen Daueranspannung mit erheblichen Rückzugstendenzen und sozialen Konsequenzen - man kann auch sagen: Ständige, übertriebene Sorgen mit vielen körperlichen
Beschwerden (z.B. Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, Ruhelosigkeit, Müdigkeit, Beklemmung, Kopfschmerzen).
Ursächlich verantwortlich sind genetische Faktoren nur für eine erhöhte Ängstlichkeit, nicht für eine spezielle Angstform. Traumatische
Erlebnisse spielen teilweise eine Rolle, aber es gibt auch schleichende Entwicklungen mit einer gewissen Eigendynamik der Angst. Therapeutisch wird oft eine Verhaltenstherapie mit einer medikamentösen Behandlung kombiniert, nur bei spezifischen Phobien macht eine medikamentöse
Therapie meist keinen Sinn. In Frage kommen ansonsten verschiedene Antidepressiva, die kein Abhängigkeitsrisiko haben, bei der generalisierten Angststörung auch Pregabalin. Wichtig ist, nach
einer Besserung die medikamentöse Therapie nicht zu schnell abzusetzen. Für die Betroffenen ganz entscheidend ist, mit
dem "therapeutischen Brückenbau" nicht jahrelang zu warten und später - falls erforderlich - die Therapie u.U. lebensbegleitend fortzuführen.